mongolische Literatur

mongolische Literatur
mongolische Literatur,
 
die überwiegend in der uigurisch-mongolischen Schriftsprache abgefasste Literatur.
 
13. bis 16. Jahrhundert:
 
Die Denkmäler der frühesten Epoche der mongolischen Literatur sind auch mit anderen Schriftsystemen als dem uigurmongolischen geschrieben (mongolische Schrift). Das älteste erhaltene Zeugnis ist die »Geheime Geschichte der Mongolen« (1227-64), eine Darstellung des Aufstiegs Dschingis Khans. Ferner sind Edikte und Gründungsinschriften auf Stein, Dokumente diplomatischen Schriftverkehrs, Übersetzungen buddhistischer Texte, Vokabulare, Wahrsagetexte und Kalendarisches erhalten. Repräsentanten der mongolischen Übersetzungsliteratur dieser Zeit sind Tschoskyi Odzer und Schesrab Sengge; die übrigen Autoren sind anonym. Durch den Zerfall der mongolischen Teilreiche (seit Mitte des 14. Jahrhunderts) gingen zahlreiche schriftliche Zeugnisse nicht nur aus dem 13. und 14. Jahrhundert verloren; anhaltende politische Wirren machten auch die Zeit vom späten 14. bis späten 16. Jahrhundert zur »dunklen Epoche« der m. Literatur.
 
Ende des 16. bis Ende des 19. Jahrhunderts:
 
Eine wichtige Rolle in der seit Ende des 16. Jahrhunderts wieder auflebenden mongolischen Literatur kommt der Übersetzungsliteratur zu, wie die mongolische Literatur dieser Zeit überhaupt vorwiegend fremdbeeinflusst oder fremden Vorlagen genau entsprechend nachgebildet ist. Es entstand - u. a. im Zusammenhang mit dem gegen Ende des 16. Jahrhunderts zur Staatsreligion erklärten Lamaismus - eine religiöse Literatur (u. a. Übersetzungen des lamaistisch-buddhistischen Kanons sowie buddhistischer didaktischer Werke, Kirchengeschichtsschreibung nach tibetanischem Vorbild); ferner wurden nach indisch-tibetischen Mustern Märchen, Fabeln, Peregrinations- und Höllenfahrtsgeschichten geschaffen, aus dem Chinesischen Romane und konfuzianische Schriften übersetzt und aus dem Tibetischen Heiligenbiographien übertragen. Zu den wichtigen literarischen Zeugnissen dieser Zeit gehören auch die Familiengeschichtsschreibung (in Chronikform), die Schamanendichtung, die Dschingis-Khan-Spruchdichtung und das Geser-Khan-Epos; daneben sind Rechts- und Verwaltungstexte erhalten. Die buddhistische Übersetzungsliteratur verbindet sich mit Namen wie Ayusi Guosi und Siregetü Guosi Tschordschiwa (Wende 16./17. Jahrhundert), die mongolische Chronikliteratur mit Lubsangdandschin und Saghang Setschen (Mitte des 17. Jahrhunderts), Rasipungsugh (18. Jahrhundert) und Isibaldan (19. Jahrhundert). Frei von fremden Einflüssen sind die beginnende genealogische Literatur und die Beschreibung mongolischer Stämme (Byamba, 17. Jahrhundert, Guosi Dharma, 18. Jahrhundert). Indschanaschi gilt als erster Autor eines historischen Romans (allerdings nach chinesischen Vorbildern). Ende des 19. Jahrhunderts entstanden Schelmengeschichten. Ebenso wie diese leitete die neu entstehende sozialkritische Satire (gegen chinesische Bevormundung und die lamaistische Geistlichkeit sowie damit verbundene Missstände) mit ihren Vertretern Khulitschi Sandag (* 1825, ✝ 1860), Gendün (* 1820, ✝ 1882) und Isisambuu (* 1847, ✝ 1907), denen auch die Verfasser von Gedichten und Liedern Kesigbatu (* 1849, ✝ 1916) und Gamala (* 1871, ✝ 1932) sowie der Lyriker und Verfasser von Lehrsprüchen Dandschinrabdschai (*1803, ✝ 1857) und der dichtende Realkritiker Isindangdschilwangdschil (* 1854, ✝ 1907) zuzuordnen sind, zur Literatur des 20. Jahrhunderts über.
 
20. Jahrhundert:
 
Aus den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts sind noch traditionelle Werke wie Zeremonial- und Schamanendichtung überliefert, nach dem Niedergang der über die mongolischen Gebiete der Inneren und Äußeren Mongolei herrschenden Qingdynastie entwickelte sich jedoch - auf der Grundlage der sozialkritischen Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts - v. a. nach 1924 in der Mongolischen Volksrepublik eine moderne mongolische Literatur. Diese betont den revolutionären als Vorstufe zum sozialistischen Realismus und zielt auf planwirtschaftliche Ideale wie Normerfüllung und den neuen sozialistischen Menschen, häufig in Gedichtform, z. B. bei Daschdsewegijn Sengee (* 1916, ✝ 1959), Zegmedijn Gajtaw (* 1929), Sengijn Erdene (* 1929), Begdsijn Jawuuchulan (* 1929). Im Dienst der Propaganda für die Ideale der Revolution standen mit Liedern und Gedichten, zum Teil orientiert an der alten Volksdichtung, Narangijn Terbisch (* 1899, ✝ 1959), Sodnombaldschiryn Bujannemech (* 1902, ✝ 1937) und Daschdordschijn Natsagdordsch (* 1906, ✝ 1937), mit Erzählungen und Märchen revolutionären Inhalts Tzendijn Damdinsüren (* 1908, ✝ 1986). Die Gattung Lustspiel führte Tschojdschamdsyn Ojdow (* 1917, ✝ 1963), die des Dramas Donrowyn Namdag (* 1911, ✝ 1984) und Böchijn Baast (* 1921) in die mongolische Literatur ein. Aufbauend zum Teil auf traditionellen Vorlagen, entstand nach 1948 der moderne mongolische Roman (Bjambyn Rintschen, * 1905, ✝ 1977; Tschadraawalyn Lodojdamba, * 1916, ✝ 1969). Zu den Erzählern, die moralisch und psychologisch Probleme der sozialistischen Gesellschaft behandelten, gehören Erdenebatyn Ojuun (* 1918, ✝ 1994), Dson Paj-Dchingijn Battulg (* 1919), Sonomyn Udwal (* 1921, ✝ 1994), Schandschmjatawyn Gaadamba (* 1924), Dembegijn Mjagmar (* 1933) und Dordschijn Garmaa (* 1937). Bekannte Schriftsteller der Gegenwart sind P. Pürewüren (* 1938), T. Otschirchüü (* 1943), S. Ojuun (* 1946) und L. Tschoidschilsüren (* 1932).
 
 
W. Heissig, in: Hb. der Orientalistik, hg. v. B. Spuler, Abt. 1, Bd. 5, Tl. 2: Mongolistik (Leiden 1964);
 W. Heissig: M. L., in: Die Mongolen, hg. v. M. Weiers u. a. (1986);
 W. Heissig: Erzählstoffe rezenter mongol. Heldendichtung, 2 Bde. (1988);
 W. Heissig: Gesch. der m. L., 2 Bde. (21994).

Universal-Lexikon. 2012.

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